Wissen
So wird Deutschland stillfreundlich
Damit Stillen gut gelingt, sollten Frauen und ihr soziales Umfeld überall stillfreundliche Bedingungen vorfinden. Den Weg dahin weisen die Ergebnisse des Forschungsvorhabens BBF, die jetzt auf einer Fachkonferenz vorgestellt wurden.

Die systematische BBF-Analyse bietet die Chance, die Rahmenbedingungen für das Stillen nicht nur punktuell, sondern nachhaltig und an allen wichtigen Stellen zu verbessern. Individuelle und strukturelle Stillhemmnisse würden reduziert, damit sich noch mehr Frauen informiert und selbstbestimmt für das Stillen entscheiden können. Auf der Basis der Analyse entwickelten die beteiligten Expertinnen und Experten acht Empfehlungen, damit Deutschland stillfreundlicher wird.
Empfehlungen zur Stillförderung in Deutschland
Nationale Strategie zur Stillförderung
Eine nationale Strategie zur Stillförderung in Deutschland inklusive eines Leitbildes soll entwickelt werden, in welche unter anderem alle weiteren BBF-Empfehlungen einfließen. Eine Koordinierungsstelle bringt in diesem Prozess alle Beteiligten zusammen und erarbeitet die entsprechenden Aufgabenpakete. Die Nationale Stillkommission (NSK) wird als strategisches und politisch beratendes Gremium für die Bundesregierung neu ausgerichtet und stärker in politische Prozesse wie die Entwicklung der nationalen Strategie zur Stillförderung eingebunden.
Gemeinsame Kommunikationsstrategie
Eine gemeinsame Kommunikationsstrategie für die Stillförderung ist notwendig, um die gesellschaftliche Akzeptanz des Stillens zu steigern und das Wissen übers Stillen und passende Unterstützungsangebote zur Förderung der Stillmotivation zu verbessern, vor allem bei Frauen, die seltener und kürzer stillen.
Standards zur evidenzbasierten Stillförderung und -beratung
Die evidenzbasierte Stillförderung und -beratung von Schwangeren und Familien durch Ärztinnen und Ärzte sowie einschlägige Gesundheitsfachberufe braucht einen höheren Stellenwert, z. B. durch Leitlinien, Richtlinien und Integration von Stillindikatoren in Systeme der Qualitätssicherung, lautet eine weitere Empfehlung.
Zusätzliche Bildungsangebote für die Aus-, Fort- und Weiterbildung
Auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung ist das Thema Stillen durch zusätzliche Bildungsangebote sowie vereinheitlichte Lehrinhalte – entsprechend der berufsspezifischen Aufgaben und Kompetenzen – zu stärken.
Stillförderung soll vor Ort erfolgen
Stillförderung soll alle erreichen. Familien in belasteten Lebenssituationen sind dabei besonders in den Blick zu nehmen, da sie häufig einen erhöhten Informations- und Unterstützungsbedarf aufweisen. Die Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure vor Ort mit Kontakt zu (werdenden) Müttern und ihrem sozialen Umfeld ermöglicht frühzeitig einen niedrigschwelligen Zugang zu professioneller Stillberatung und -unterstützung sowie zu Selbsthilfeangeboten.
Bessere Vereinbarkeit von Stillen und Beruf
Die Vereinbarkeit von Stillen und Berufstätigkeit soll verbessert werden. Die existierenden Regelungen sind weder bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, noch bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Beratenden ausreichend bekannt. Hier besteht Informationsbedarf. Zudem sollen strukturelle Lösungen zur Umsetzung des Mutterschutzgesetzes erarbeitet und gesetzgeberischer Handlungsbedarf geprüft werden, um den Anwendungsbereich des Gesetzes auf mehr Frauen auszweiten.
Regelungen zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten
In Bezug auf die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten wird empfohlen, die Umsetzung der bestehenden Regelungen zur Vermarktung sowie ggf. eine Ausweitung der Regelungen zu prüfen und Verstöße bundesweit zu bündeln und zu veröffentlichen. Die Öffentlichkeit - insbesondere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit Kontakt zu Familien - sollen über die Regelungen zur Vermarktung und wie man Verstöße melden kann informiert werden.
Valide Datengrundlage durch systematisches Stillmonitoring
Ein systematisches Stillmonitoring für Deutschland mit einer Koordinierungseinheit ist wichtig, um valide und repräsentative Daten für die Planung und Umsetzung von Maßnahmen einer gezielten Stillförderung zu erhalten.
Die Situation in Deutschland
Nationale und internationale Expertengruppen empfehlen, das Stillen als natürliche und bevorzugte Ernährungsform für Säuglinge zu fördern. Die gesundheitliche Bedeutung für Mutter und Kind ist gut belegt. Auch aus Sicht der Bindungsförderung und der Gesundheitsökonomie spricht vieles für das Stillen.
Dennoch stillen in Deutschland nur rund zwei Drittel der Mütter ihre neu geborenen Säuglinge ausschließlich – in den folgenden Monaten sinkt diese Zahl deutlich. Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen werden seltener und kürzer gestillt. Sie profitieren daher weniger vom gesundheitlichen Nutzen des Stillens. Das gilt ebenso für Kinder von jungen Müttern und von Frauen, die in der Schwangerschaft geraucht haben. Frauen und junge Familien begegnen offensichtlich noch nicht überall einem stillfreundlichen Umfeld.
Das Forschungsvorhaben Becoming Breastfeeding Friedly (BBF)
Seit September 2017 recherchierte eine Kommission aus Expertinnen und Experten aus Politik, Praxis, Wissenschaft und Medien Informationen zu allen wichtigen Handlungsfeldern der Stillförderung und analysierte die Daten systematisch auf der Grundlage von 54 internationalen BBF-Bewertungskriterien.
Daraus ergaben sich konkrete Ansatzpunkte, um die Rahmenbedingungen für das Stillen in Deutschland zu verbessern. Auf dieser Basis entwickelte die BBF-Kommission acht Empfehlungen zur Stillförderung in Deutschland. Die Empfehlungen richten sich an alle Akteurinnen und Akteure, die dazu beitragen können, ein stillfreundliches Umfeld für (werdende) Familien zu schaffen.
Das Forschungsvorhaben BBF wird auf Initiative des Bundesernährungsministeriums vom Netzwerk Gesund ins Leben und der Nationalen Stillkommission gemeinsam mit der Yale School of Public Health durchgeführt.
Das IN FORM Projekt "Netzwerk Gesund ins Leben" unterstützt junge Familien in ihrem Bestreben, ihre Kinder gesund aufwachsen zu lassen. Ziel ist, jungen Familien Wissen und Kompetenzen zu den Themen ausgewogene Ernährung und Allergieprävention zu vermitteln und sie zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren. Das Netzwerk Gesund ins Leben ist angesiedelt am Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).