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Bewegung und Menschen mit Behinderung Interviews

Univ. - Prof. Dr. Thomas Abel hat seit 2014 die Professur "Paralympischer Sport". Er forscht und lehrt an der Deutschen Sporthochschule Köln auf dem Gebiet des Sports von Menschen mit Behinderung.

Portraitbild Prof. Dr. Thomas Abel
Bild: Deutsche Sporthochschule Köln

Univ. - Prof. Dr. Thomas Abel hat seit 2014 die Professur "Paralympischer Sport". Er forscht und lehrt an der Deutschen Sporthochschule Köln auf dem Gebiet des Sports von Menschen mit Behinderung. Im Bereich der Sportarten Handcycling, Leichtathletik, Schwimmen und den Ballsportarten Rollstuhl-Basketball und Rollstuhl-Rugby besteht eine umfangreiche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit national und international aktiven Spitzensportlerinnen und -Sportlern.

IN-FORM.de: Wie können Menschen mit Behinderungen mehr Bewegung in Ihren Alltag integrieren? Können Sie einige Beispiele nennen?

Prof. Dr. Thomas Abel: Ich glaube hier gibt es zunächst keinen Unterschied zu Menschen ohne Behinderung. Wichtig ist es, die zu einem passende Bewegungs-, Spiel- oder Sportform zu finden. Besonders hilfreich empfinde ich es immer, wenn sich die Bewegungszeiten dann gut in den Tagesablauf integrieren und automatisieren lassen. Also bewegte Pausen im Arbeitsalltag, möglichst viele Wege über die eigene Muskelkraft bewältigen, sich regelmäßig im Verein oder vereinsungebunden zu Bewegung und Sport verabreden. In diesem "Wie" sehe ich keine Unterschiede.

IN-FORM.de: Wie sieht es mit den Sport- und Bewegungsmöglichkeiten konkret in den Lebenswelten aus? (z.B. in Schulen, Betrieben, Seniorenheimen, Kommune) Wo finden Menschen mit Behinderungen Bewegungsanlässe in ihrem Alltag?

Prof. Dr. Thomas Abel: Es gibt zum Glück zunehmend mehr Angebote. Angefangen vom Elternhaus über Schule und Wohnbereiche entstehen gemeinsame Bewegungsangebote für Menschen mit und ohne Behinderung. Der Wert von Bewegung und Sport ist dabei zunehmend allen bewusst. Viele Vereine sind hier aktiv und es gibt auch in betreuten Wohnprojekten schöne Ansätze, die Bewegung von Menschen mit Behinderung zu fördern. Insgesamt gibt es aber noch zu wenige Angebote und die Information zu den Angeboten ist immer noch unzureichend

IN-FORM.de: Gibt es besonders nennenswerte Projekte oder Programme zur Bewegungsförderung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland? Wer bietet solche Angebote an?

Prof. Dr. Thomas Abel: Es gibt viele sehr schöne Projekte. Inklusive aber auch exklusive Angebote, was wichtig ist, weil Teilhabe auch eine Wahlmöglichkeit beinhalten muss, gemeinsam oder getrennt Bewegung, Spiel und Sport erleben zu wollen. Und die Angebotspalette reicht vom Klettern über alle bekannten Sportarten bis zum Wasserski, um exemplarisch einige Beispiele zu nennen. Die Inklusionslandkarte des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen bietet hier die Möglichkeit Angebote auch wohnortnah zu finden (siehe Links). Die Landkarte selber ist sicherlich auch ein sehr nennenswertes Projekt, in das Anbieter ihre Angebote selbstständig eintragen können und dies auch tun sollten.

IN-FORM.de: Was macht ein gutes Bewegungsangebot für Menschen mit Behinderung aus?

Prof. Dr. Thomas Abel: Exakt das gleiche was ein gutes Bewegungsangebot für Menschen ohne Behinderung ausmacht. Eine gute Passung für die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Zielgruppe. Ein wertschätzendes respektvolles Miteinander, welches Unterschiedlichkeiten als Wert empfindet. Eine gute Qualität der anleitenden Personen und unbedingt viel Spaß und Freude beim gemeinsamen Bewegen. Wenn dann die eigenen Grenzen, wahrgenommen durch Training, verschoben oder alternativ akzeptiert werden, dann ist es ein gutes Angebot.

IN-FORM.de: Benötigen Multiplikatoren (z.B. Sportlehrerinnen und Sportlehrer, Übungsleiterinnen und Übungsleiter) besondere Qualifikationen, um Angebote für Menschen mit Behinderungen anbieten zu können?

Prof. Dr. Thomas Abel: Ja, sie benötigen eine sehr wichtige Qualifikation. Sie müssen Vielfalt als Realität unseres Lebens schätzen und darin eine Chance sehen. Und sie sollten neugierig auf gemeinsames Kommunizieren und Handeln sein. Und natürlich ist es zwingend, das Thema Menschen mit Behinderung in allen Ausbildungsplänen für Übungsleiterinnen und Übungsleiter sowie für Trainerinnen und Trainer aufzunehmen. In Deutschland leben etwa 7,8 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Ich wünsche mir sehr, dass gleichberechtigte Teilhabe Normalität wird. Die Ausbildung ist ein zentraler Zugang hierzu.

IN-FORM.de: Gibt es Hemmnisse und gar Ängste, sich vielleicht zu intensiv zu bewegen oder gar zu verletzen?

Prof. Dr. Thomas Abel: Ich glaube, diese Ängste oder Hemmungen bestehen oftmals eher in der Umgebung als bei den Menschen mit einer Behinderung. In jedem Fall sollte es bei Bewegungsangeboten und beim Sport immer auch darum gehen, Überbelastungen zu vermeiden und deshalb die Voraussetzungen der Teilnehmenden gut zu erfassen bzw. die Personen gut darin zu schulen, die eigenen Grenzen zu erkennen und eben auch zu akzeptieren und damit die eigene Gesundheit zu schützen.

IN-FORM.de: Wie hat sich das Bewegungsangebot für Menschen mit Behinderungen in den letzten Jahren in Deutschland verändert und welche Entwicklung erhoffen Sie sich für die Zukunft?

Prof. Dr. Thomas Abel: In Deutschland gibt es eine lange Tradition spezifische und geschlossene Angebote für Menschen mit Behinderungen anzubieten. In den letzten Jahren sind hier erfreuliche Tendenzen zu erkennen, gemeinsame Angebote zu entwickeln und nachhaltig zu etablieren. Das sind zunächst einmal gute Entwicklungen. Ich empfinde es aber als große Chance und Herausforderung, flächendeckend und damit wohnortnah Bewegungsangebote zu schaffen, die Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten willkommen heißen. Hier haben wir noch einen Weg vor uns, der einen langen Atem erfordert.


Links

Bei der Deutschen Sporthochschule in Köln sind die Projekte und Aktivitäten von Univ. - Prof. Dr. Thomas Abel nachzulesen.

Die Internetseite www.behinderungsbeauftragter.de bietet weiterführende Informationen zum Thema