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Bewegung ist das beste Rezept für Gesundheit Interviews

Ärzte können ihren Patienten ein Rezept ausstellen, um diese zu mehr Bewegung zu motivieren. Der Experte Professor Dr. Herbert Löllgen erklärt die Idee des "Rezepts für Bewegung", wie und wo man es erhalten und einlösen kann und für welche Menschen und welche gesundheitlichen Beschwerden es sich besonders gut eignet.

Portraitfoto Prof. Loellgen
Bild: privat

Die Idee zum „Rezept für Bewegung“ entstand in den achtziger Jahren in Deutschland. Zuerst durchgesetzt hat es sich allerdings in Neuseeland und Schweden. Seit einigen Jahren ist es aber auch hierzulande erhältlich. Endlich, denn Bewegung und Sport wirken bei einigen Krankheiten erwiesenermaßen besser als einzelne Medikamente. Professor Dr. Herbert Löllgen ist niedergelassener Kardiologe in Remscheid. Zuvor war er Chefarzt im Klinikum Remscheid und leitender Kardiologe an der Ruhr-Universität Bochum. Neben der Kardiologie gehören die Sport- sowie Luft- und Raumfahrtmedizin zu seinen Forschungsschwerpunkten. Als begeisterter Hobbysportler hat er früher regelmäßig Strecken bis 42 Kilometer Länge absolviert, inzwischen beschränkt er sich aber auf die Halbmarathon-Distanz.

Sie setzen sich dafür ein, dass Ärzte ihren Patienten "Rezepte für Bewegung" ausstellen. Was ist unter einem "Rezept für Bewegung" genauer zu verstehen?

Professor Löllgen: Das Rezept ist in zwei Variationen entwickelt. Zum einen im Hinblick auf das Siegel "Sport pro Gesundheit" des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Hier können qualitätsgesicherte Kurse belegt werden zu Ausdauer, Kraftttraining, Entspannung, Sport mit Älteren oder Sport mit Kindern. Zum anderen kann ein Rezept dem Patienten gegeben werden, um sich körperlich individuell nach den FIDA Kriterien zu betätigen. Die FIDA-Kriterien sind Frequenz (Häufigkeit pro Woche), Intensität (des Sports), Dauer pro Trainingseinheit und Art des Sportes. Dabei kann die Belastung indivudell nach Alter und Geschlecht festgelegt werden.

Sie sagen, dass körperliche Aktivität wie ein Medikament wirkt. Worin bestehen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Bewegung und einem Medikament?

Professor Löllgen: Körperliche Aktivität hat zahlreiche Indikationen (Anhaltspunkte), kann also zur Prävention und Therapie verschiedener Krankheiten eingesetzt werden. Körperliches Training zeigt eine nicht geradlinige Dosis-Wirkungsbeziehung. Das bedeutet, dass der Zusammenhang zwischen dem Maß an körperlicher Leistung und den daraus resultierenden Gesundheitseffekten nicht gleichmäßig ist, sondern die größte Wirkung beim Wechsel von Bewegungsmangel zu moderater Bewegung festzustellen ist. Die weitere Steigerung des Trainingsumfangs verbessert zwar die Leistungsfähigkeit, die Gesundheit und die Lebenserwartung jedoch nur geringfügig mehr. Weiterhin hat körperliche Betätigung auch gesicherte positive Auswirkungen auf seelische Funktionen. Es bestehen im Vergleich zu Medikamenten wenige Nebenwirkungen und seltener Gegenanzeigen. Zudem wirkt körperliche Aktivität bei einigen Krankheiten stärker als ein einzelnes Medikament.

Wie genau funktioniert das "Rezept für Bewegung"?

Professor Löllgen: Man trägt die oben aufgeführten Angaben in das Rezept für Sport pro Gesundheit ein. Dann kann der Patient bei einem Verein die Kurse belegen, die ihm der Arzt vorgeschlagen hat.

Die Idee eines "Rezepts für Bewegung" entstand bereits 1982. Aber erst in den letzten Jahren scheint es sich langsam durchzusetzen. Warum hat das so lange gedauert?

Professor Löllgen: Die Idee konnte sich anfangs nicht durchsetzen. Zum einen, weil Ärzte damals zu sehr auf Medikamente Wert legten. Zum anderen, weil die Bedeutung der körperlichen Aktivität damals umstritten war. Erst zahlreiche Studien ab 1995 haben dann den hohen Stellenwert von Bewegung und Aktivität gezeigt. Daraufhin hat man die Idee des Rezeptes wieder hervorgeholt.

Wo in Deutschland kann man bereits ein "Rezept für Bewegung" erhalten? Wo kann man es einlösen? Und werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen?

Professor Löllgen: Das "Rezept für Bewegung" kann jeder Arzt ausstellen. Er erhält die Vordrucke beim jeweiligen Landessportbund oder Sportärztebund. Einlösen kann man es bei jedem Verein mit dem Qualitätssiegel "Sport pro Gesundheit. Die Kosten für das "Rezept für Bewegung" werden von den Krankenkassen nicht übernommen, lediglich die Kosten für die Kurse "Sport pro Gesundheit", an denen man mit diesem Rezept teilnehmen kann. Die Kosten dieser Kurse werden von den Kassen meist zu einem großen Anteil übernommen. Es bleibt zu hoffen, dass das neue Präventionsgesetz eine Änderung dahingehend bewirkt, dass die Krankenkassen weitere oder alle Kosten übernehmen. Denn das Ausstellen dieses Rezeptes mit erklärendem Gespräch des Arztes dauert in der Regel bis zu zehn Minuten und länger. Das individuelle Rezept für Bewegung, wie es jetzt auch europaweit eingeführt wurde, kann jeder Arzt im Rahmen einer Beratung zu einem aktiven Lebensstil ausstellen. Er sollte dabei sportmedizinische Grundkenntnisse haben und meist auch eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung durchführen, um Risiken zu vermeiden. Noch ein Wort zu den Leistungsübernahmen der Krankenkassen. Was diese allerdings in den meisten Fällen übernehmen, sind zwei Drittel des Betrages für eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung, die man gegebenenfalls im Anschluss an das Rezept für Bewegung machen sollte – insbesondere, wenn man älter als 35 Jahre ist.

Kennen die meisten der niedergelassenen Ärzte das „Rezept für Bewegung“? Und wird es von den Ärzten auch immer häufiger verschrieben?

Professor Löllgen: Das "Rezept für Bewegung" ist leider noch zu wenig bekannt. Die Landessportbünde bewerben es, ebenso die Sportärzteverbände. Mit Hilfe von Werbemitteln und Arztinformationen soll das Rezept weiter bekannt gemacht werden. Hier ist der DOSB maßgeblich beteiligt.

Wie sieht Ihrer Meinung nach eine optimale Beratung durch den Arzt hinsichtlich des "Rezepts für Bewegung" aus? Sprechen immer mehr Ärzte ihre Patienten allgemein auf die Vorteile von Bewegung für die Gesundheit und speziell auf das "Rezept für Bewegung" an?

Professor Löllgen: Die optimale Beratung umfasst die Erkennung der Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Übergewicht, Bluthochdruck, Fehlernährung und Nikotinmissbrauch. Vor allem bei Bewegungsmangel sollte jeder Arzt den Patienten auf die positiven Auswirkungen von Bewegung, körperlicher Aktivität und Sport ansprechen. Je nach Alter und Gesundheitszustand ist dann eine Vorsorgeuntersuchung anzuraten. Allein das Ansprechen auf regelmäßige Bewegung führt bei vielen Patienten zum Nachdenken, was der Arzt weiter unterstützen sollte. Wichtig wäre im Rahmen des Präventionsgesetzes dem Arzt diese Beratung zu vergüten (was bisher nicht der Fall ist), da ein Gespräch doch 10 bis 15 Minuten dauern kann.

In verschiedenen anderen Ländern (zum Beispiel Neuseeland, Schweden) wurde das "Rezept für Bewegung" bereits vor längerer Zeit eingeführt. Welche Erfahrungen hat man dort damit gemacht?

Professor Löllgen: Die Erfahrungen in diesen Ländern sind ausgesprochen positiv. Nachuntersuchungen haben dort gezeigt, dass viele Menschen sich aufgrund des Rezepts mehr bewegen als jemals zuvor in ihrem Leben.

Welchen Menschen mit welchen gesundheitlichen Beschwerden raten Sie unbedingt den Arzt nach dem "Rezept für Bewegung" zu fragen?

Professor Löllgen: Alle Patienten mit Übergewicht, Bewegungsmangel und Fehlernährung. Aber auch solche mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus und alle älteren Patienten. Alle diese Gruppen profitieren besonders von körperlicher Aktivität.

Wo kann man sich abgesehen vom Arzt über die Vorteile des "Rezepts für Bewegung" informieren?

Professor Löllgen: Ein Merkblatt ist bei den Sportärzteverbänden erhältlich (z.B. "10 goldene Regeln"). Auch das Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) hilft weiter. Weitere Informationen sind ebenfalls bei DGSP erhältlich. Auch der DOSB hat zusammen mit Ärzten ein Merkblatt herausgegeben. Darüber hinaus bieten alle Landessportbünde hilfreiche Informationen an.